Die Wiege des Freikletterns: Klettern in seiner reinsten Form
Das sächsische Bergsteigen blickt auf eine über 130 Jahre alte Geschichte zurück und gilt als Geburtsort des Freikletterns. Bereits um 1900 etablierten sächsische Kletterpioniere eine Form des Kletterns, die sich deutlich von anderen Techniken abhebt. Während anderswo künstliche Hilfsmittel genutzt wurden, um Felswände zu erklimmen, setzten die sächsischen Kletterer ausschließlich auf ihre Körperkraft und die natürliche Felsstruktur. Diese Philosophie zieht sich bis heute durch: Klettern in Sachsen bedeutet, nur mit dem Fels in Kontakt zu sein und keine metallischen Sicherungsgeräte wie Klemmkeile zu verwenden – einzig Knotenschlingen sind als Sicherung erlaubt.
Ein weiterer Aspekt, der das sächsische Bergsteigen prägt, sind die strengen Regeln, die bereits 1913 erstmals schriftlich festgehalten wurden. So ist beispielsweise die Verwendung von Magnesia (Chalk) zur Trocknung der Hände verboten, um die empfindliche Felsstruktur zu schützen. Auch die Felsoberfläche selbst darf nicht verändert werden – ein klarer Ausdruck des Respekts vor der Natur.
Eine Klettergemeinschaft mit Herz und Kultur
Die Verbindung von Sport und Kultur macht das sächsische Bergsteigen zu mehr als nur einer sportlichen Herausforderung. In der Region hat sich über die Jahrzehnte eine lebendige Klettergemeinschaft entwickelt, die tief in der lokalen Kultur verankert ist. Rund 40.000 Menschen sind in Kletterklubs organisiert, und neben dem sportlichen Aspekt findet das Bergsteigen auch seinen Niederschlag in Kunst, Literatur und Musik. Die Tradition wird durch drei Bergsteigerchöre, eine eigene Kletterbibliothek und eine Stiftung für Kunst und Berge lebendig gehalten.
Diese kulturelle Dimension hebt das sächsische Bergsteigen von vielen anderen Klettertraditionen ab. Es geht nicht nur darum, Gipfel zu erklimmen, sondern auch darum, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die Werte wie Eigenverantwortung, Naturverbundenheit und kulturelles Erbe pflegt. Die Anerkennung durch die UNESCO ist daher nicht nur eine Auszeichnung für die Kletterer, sondern auch eine Würdigung der sächsischen Kultur als Ganzes.
Herausforderung und Naturverbundenheit: Klettern an freistehenden Türmen
Ein weiteres charakteristisches Merkmal des sächsischen Bergsteigens ist das sogenannte "Türmeklettern". Während in anderen Klettergebieten oft große Felswände, sogenannte Massive, bestiegen werden, ist in Sachsen das Klettern auf freistehende Felstürme beschränkt. Etwa 1.100 dieser einzigartigen Felsformationen stehen den Kletterern zur Verfügung. Diese Regel schafft nicht nur besondere Herausforderungen für die Sportler, sondern trägt auch zum Erhalt der Felslandschaft bei.
Immaterielles Kulturerbe: Die Bewahrung lebendiger Traditionen
Die Aufnahme des sächsischen Bergsteigens in das immaterielle Kulturerbe der UNESCO ist ein bedeutendes Ereignis für die Region und die Klettergemeinschaft. Das immaterielle Kulturerbe umfasst Kulturformen, die auf mündlichen Überlieferungen, handwerklichem Können und alltäglichen Praktiken basieren und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Es geht dabei um die Erhaltung lebendiger Traditionen, die Identität und Gemeinschaft stärken – und genau das repräsentiert das sächsische Bergsteigen.
Diese UNESCO-Anerkennung wird als Ansporn gesehen, die Tradition zu bewahren und weiterzugeben. Gleichzeitig hofft die Klettergemeinschaft, dass dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese einzigartige Kletterform gelenkt wird, ohne jedoch die Anzahl der Kletterer drastisch zu erhöhen. Das Hauptziel bleibt, das Klettergebiet zu schützen und die Tradition des Freikletterns in seiner reinen Form zu bewahren.
Eine Tradition, die Generationen überdauert
Das sächsische Bergsteigen ist nicht nur ein faszinierender Sport, sondern auch ein wertvolles Kulturgut, das tief mit der Region und ihren Menschen verwoben ist. Die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes ist ein klares Zeichen für die Bedeutung dieser einzigartigen Klettertradition. Sie ist nicht nur ein Symbol für die Verbindung von Sport und Natur, sondern auch für die kulturelle Identität Sachsens. Diese Anerkennung hilft, das reiche Erbe des sächsischen Bergsteigens für zukünftige Generationen zu bewahren – und lässt die Herzen von Kletterern und Kulturinteressierten gleichermaßen höher schlagen.
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